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Tuesday, October 23, 2007

ana.words, scharfsinnig und dumm

Der Ausdruck Oxymoron (von griech. "oxys" = "scharf, spitz,

scharfsinnig" und "moros" = "einfältig, dumm") bedeutet so

viel wie "klugdumm" und bezeichnet Wendungen, die logisch

betrachtet zunächst einmal widersprüchlich sind, bei näherer

Betrachtung und in bestimmten Zusammenhängen aber durchaus

einen (Hinter)sinn offenbaren. Einige Oxymora zählen zu den

verbreitetsten Standards unserer Alltagsrhetorik: Weniger

ist mehr. Das Schweigen der Lämmer sagte alles. Das Aas

quittierte mit einem bittersüßen Lächeln. Nur die

Konvertiten vernahmen deutlich Gregors lautlosen Schrei.

Eile mit Weile!

Solche Standards verkommen allerdings leicht zu bloßen

Worthülsen. Neu und angemessen gebildet kann ein Oxymoron

dagegen eine verstörende rhetorische Kraft entwickeln. Zwei

beeindruckende Beispiele dafür finden sich in den ersten

Zeilen der "Todesfuge" von Paul Celan: "Schwarze Milch der

Frühe wir trinken sie abends // wir trinken sie mittags und

morgens wir trinken sie nachts // wir trinken und trinken //

wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng

// [...]".

Paul Celan - Todesfuge

Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends

wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts

wir trinken und trinken

wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng

Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt

der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete

er schreibt es und tritt vor das Haus und es blitzen die Sterne er pfeift seine Rüden herbei

er pfeift seine Juden hervor läßt schaufeln ein Grab in der Erde

er befiehlt uns spielt auf nun zum Tanz

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts

wir trinken dich morgens und mittags wir trinken dich abends

wir trinken und trinken

Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt

der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete

Dein aschenes Haar Sulamith wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng

Er ruft stecht tiefer ins Erdreich ihr einen ihr andern singet und spielt

er greift nach dem Eisen im Gurt er schwingts seine Augen sind blau

stecht tiefer die Spaten ihr einen ihr andern spielt weiter zum Tanz auf

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts

wir trinken dich mittags und morgens wir trinken dich abends

wir trinken und trinken

ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete

dein aschenes Haar Sulamith er spielt mit den Schlangen

Er ruft spielt süßer den Tod der Tod ist ein Meister aus Deutschland

er ruft streicht dunkler die Geigen dann steigt ihr als Rauch in die Luft

dann habt ihr ein Grab in den Wolken da liegt man nicht eng

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts

wir trinken dich mittags der Tod ist ein Meister aus Deutschland

wir trinken dich abends und morgens wir trinken und trinken

der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau

er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau

ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete

er hetzt seine Rüden auf uns er schenkt uns ein Grab in der Luft

er spielt mit den Schlangen und träumet der Tod ist ein Meister aus Deutschland

dein goldenes Haar Margarete

dein aschenes Haar Sulamith

(eines der gedichte nach auschwitz

nach dem gedichte barbarisch seien)

http://ana.ch/words/archive/?id=5016

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