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Wednesday, December 13, 2006

ana.words, gott maria gebenedeite empfängnis


nur noch an silvester, nur noch sex plätze frei

http://www.schauspielhaus.ch/wwwasp/ticketing/index.asp?vn=234

kritik aus dem bund:

Der liebe Gott unterm Küchentisch Uraufführung von
Sibylle Bergs Musical «Wünsch Dir was» im Zürcher
Schiffbau: Ein rührendes Plädoyer für die unperfekte
Spezies Mensch Wären die Menschen ein bisschen
tierischer und würde der grossen Liebe nach Einzug des
Alltags mit Nachsicht begegnet, bestände durchaus eine
Chance zur Rettung der Welt. So lautet die Botschaft des
überaus vergnüglichen Musicals.

Der liebe Gott dreht durch. Und so ganz verübeln kann
man es ihm nicht. Sein Opus Magnum, die Schöpfung, ist
ihm gründlich misslungen. Um dies zu belegen, genügt es,
die Mittagsnachrichten einzuschalten. Zur laufenden
Verschlechterung von Gottes Laune trägt zudem Maria bei,
die zu allen Registern greift, um ihn ins Bett zu
kriegen, weil sie den Sohn Gottes noch immer nicht
empfangen hat.

Weit angenehmer sind da Gottes Begegnungen mit seinem
Adoptivsohn Ralph, dem er einst den Part des Bösen
zugeschanzt hat. Als williger Bösewicht ist der smarte
Sohn gern bereit, dem frustrierten Vater die Argumente
zu liefern, um die Schöpfungsgeschichte neu zu
schreiben. Sieben Seelen in sieben Tagen? Kein Problem
in einer Zeit, in der die Menschen bereit sind, ihre
Seele für einen Auftritt am Fernsehen zu verkaufen. Eine
vergnügliche Versuchsanordnung hat sich Sibylle Berg für
ihr erstes Musical ausgedacht. Die deutsche
Schriftstellerin, die seit Jahren in Zürich lebt und bis
heute eher mit pessimistischen Analysen denn mit
heiterer Zuversicht glänzte, überrascht in ihrem
märchenhaften Musical «Wünsch Dir was» mit einem ebenso
simplen wie währschaften Rezept, um aus dem
heruntergewirtschafteten Planeten einen besseren Ort zu
machen: Die Liebe in Grossbuchstaben leben und dann
nachsichtig die Ansprüche zurückbuchstabieren, wenn der
Alltag die kleinen Unzulänglichkeiten zutage fördert.
Man könnte sich dabei an den Ameisenbären orientieren,
empfiehlt Frau Berg, diesen zahnlosen Gesellen, die den
ganzen Abend auf der Bühne herumrüsseln. Dass ein
bisschen Tier nicht nur dem Menschen gut tut, weiss auch
der liebe Gott, der gern in den Pelz eines Pudels
schlüpft, wenn er die Nähe der Menschen sucht. So hockt
er bei Patrik und Nicole unterm Küchentisch, derweil
Ralph den beiden den Seelen-Deal aufschwatzt.

Problemzonen

Für ihr ebenso rührendes wie witziges Plädoyer für die
Rettung der unperfekten Spezies Mensch bietet Sibyle
Berg ein Personal auf, das sich bestens in den irdischen
und himmlischen Problemzonen auskennt: einen Muslim auf
der Suche nach Sex zum Beispiel, einen deutschen
Menschenfresser als einfühlsamen Pädagogen. Kritisch
beäugt werden zudem die Kamikaze-Absichten des lieben
Gottes von den Göttern Buddha, Allah und Elohim, drei
Dandys mit Bauchbinde, deren Treffsicherheit im Croquet
ähnlich hoch ist wie im intellektuellen Pingpong. Ihnen
steht eine Showtime-Treppe zur Verfügung, wie man sie
von den grossen Samstagabendkisten am Fernsehen her
kennt. Markus Schönholzer hat für die grossen Auftritte
dort einen Soundtrack geschrieben, der mal an Udo
Jürgens erinnert, mal an Frank Sinatra oder Adriano
Celentano. Und der schlagerträchtige Groove bringt sie
alle auf Touren: die empfängnisgeile Maria (Fabienne
Hadorn), den rachsüchtigen Versagergott (Marcus Kiepe)
und den teuflisch schönen Ralph (Tonio Arango), der sich
auch mal auf Freuds Couch bettet und dem Vater zum Trotz
die Welt rettet. Doch bis es so weit ist, wird noch die
Liste der grossen Mängel – von der Kinderarbeit bis zur
Todesstrafe – erstellt. In dieser glänzenden Show
(Regie: Niklaus Helbling) der klugen Konversationen über
triviale Wahrheiten – «Dummheit ist die Akzeptanz des
Status quo» – kommt einzig die zentrale Liebesgeschichte
zu kurz: Wie fast panikartig nach einer unnötigen Pause
die wunderbar beschränkte Nicole (Nele Rosetz) zum
reinen Seelchen umfunktioniert wird und der bocksfüssig
coole Ralph endlich das Wunder der Liebe erlebt, gehört
zu den wenigen Schwachstellen eines Musicals, das
durchaus das Zeug zu einem Schweizer Exportschlager hat.

http://ana.ch/words/archive/?id=4896

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